Die Geschichte der Fürhapter’s

von Dr. Egon Kühebacher aus Innichen

Eine so eindrucksvolle Zusammenkunft von Trägern des Familiennamens Fürhapter ist zweifellos ein Anlass, einmal über die Herkunft unserer Tiroler Familiennamen nachzudenken.
Die Keimzelle unseres Familiennamens ist der B E I N A M E, eine Wortschöpfung, die dem Rufnamen als ganz persönliches Kennzeichen angefügt wurde. Durch einen Beinamen wurde seit dem Hochmittelalter die Einzelperson gleichsam aus der Menge herausgehoben. Der Beiname konnte aus einem älteren Rufnamen hervorgegangen sein, aber auch eine neue Wortschöpfung bilden, die auf eine Eigenschaft der bezeichneten Person hinwies. Im germanischen Altertum und im Frühmittelalter war die Einnamigkeit, der einfache Rufname, das Übliche und dies galt auch bei anderen indogermanischen Völkern, z.B bei den Kelten, Griechen, Iberern, Italiker. Kein direkter geschichtlicher Zusammenhang besteht zwischen der spätmittelalterlichen Zweinamigkeit bei uns und dem Mehrnamensystem der alten Römer, das wohl unter etruskischem Einfluss entstanden war. Bei den Römern wurde dem Vornamen der Sippenname und noch ein Beiname angefügt, wobei der Beiname als eigentlicher Rufname diente und in der geschichtlichen Überlieferung als maßgebend sich durchsetzte. Leute wie Cicero oder Cäsar sind uns durchwegs nur unter diesen Beinamen bekannt; der Vorname Ciceros war Marcus, der Sippenname Tullius, und Cicero war ursprünglich ein beigefügter Spitzname, der sich auf eine Warze im Gesicht bezog; der Vorname Cäsars war Gajus, der Sippenname Julius, aber bekannt geworden ist dieser Gajus Julius unter dem Beinamen Cäsar, was "aus dem Schnitt Geborener" bedeutet (unser "Kaiserschnitt" geht wie das Wort Kaiser auf Cäsar zurück).  

 

Innervillgraten 1890
Innervillgraten 1890

Bei den Franzosen und Italienern, auch bei den Spaniern beginnt der Gebrauch eines zweiten Namens schon im 10. Jahrhundert.
In den großen deutschen Städten am Rhein und Süddeutschlands dringt die Sitte des Beinamens im 12. Jahrhundert ein. Am frühesten gab sich der Anlass, einen unterscheidenden Zuname für das Geschlecht zu führen beim Adel, der damit Ansprüche auf erblichen Besitz oder politische Rechte innerhalb des Hauses wahren wollte. Wenn sich bis ins Hochmittelalter die gleichen Rufnamen in Geschlechtern vererbten, wie z.B. Welf bei den Welfen oder Aribo im bayerischen Pfalzgrafenhaus der Aribonen, so nennen die späteren Zunamen des Hochadels gewöhnlich den Sitz des Geschlechtes, der natürlich nicht von Generation zu Generation wechselte und daher einen vererbbaren Namen liefern konnte – außer wenn aus Gründen dynastischer Einzelgeschichten zum ersten Namen ein zweiter Burgname hinzugefügt oder später allein geführt wurde z.B. der Name der Grafen von Lurn durch das hinzugekommene Prädikat "von Görz" verdrängt. Kein einziger Name jener frühgenannten Geschlechter, wie im Pustertal Kehlburg, im Eisacktal Säben, Trostburg und Voitsberg, lebt heute noch. Die Dienstmannen des Hochadels, die Ministerialen, führten erst seit ungefähr 1150 Beinamen. Die Trautson, deren Name sicher einem Beinamen entsprang, sind von 1200 bis zur Neuzeit, die Künigl von da bis in die Gegenwart geblieben. Noch im frühen 14. Jahrhundert führt ein Ministeriale Niclas Fülein in Toblach außer diesem vererbten Namen der unterscheidenden Zusatz "der Rosmort" – also ist Fülein als Geschlechtsname noch nicht endgültig fest geworden.
 
Solche rechtliche Gründe wie beim Adel werden bei den unteren Ständen nicht der maßgebende Grund für die Entstehung von Beinamen gewesen sein. 
Beinamen findet man bei den Bürgern der Tiroler Städte erst seit dem späten 13. Jahrhundert.  
Sobald der Beiname auch auf Nachkommen übergeht, kann man ihn als Familienname bezeichnen. Im allgemeinen werden die Namen in jenen deutschen Städten, die im Strahlungsbereich der nichtgermanischen Nachbarvölker mit ihrer frühen Doppelnamigkeit liegen, am ehesten fest. Aber gerade im südlichen Tirol werden fern von größeren Zentren Fälle von Vererbung von Beinamen früh sichtbar, so in Bozen und Meran schon um 1220. Vergleicht man Urkunden,, die im Trientner geistlichen Fürstentum entstanden sind mit der Namengebung der gleichzeitigen Siegelurkunden auf Deutschtiroler Boden, so ist man zur Annahme berechtigt, dass das Notariat, das von Italien über Trient eindrang, der Faktor war, der zur Vererblichkeit des Beinamens Entscheidendes beitrug, da er auf Verwendung eines weiten Namens, die Anführung des Vaternamens, aus rechtlichen Gründen zur Identifizierung einer Person drängte. Im Trientner Gebiet Tirols war romanisches und deutsches Volkstum miteinander verklammert und das war der richtige Boden, um eine aus dem romanischen Raum stammende Namensitte auch bei uns heimisch werden zu lassen.  

Es kommt freilich sehr auf die gedankliche Gattung, zu der ein Beiname gehört an. 
Am frühesten haben sich neben den Wohnstattnamen der Bauern, der Hofname, also die Personennamen von Vater oder Ahn auf den Nachkommen vererbt. Aber wirklich als Familienname verfestigt wurden die Beinamen erst viel später. Der Beiname war noch lange nicht etwas so Festes, so Wichtiges und amtlich Festgelegtes wie der Vorname.

Eine Sonderstellung nehmen die Beinamen der Bauern ein. Der Bauernstand verfügte in Tirol schon früh über eine rechtliche Stellung, die ihn als politisch handelnden Körper über das Schicksal des Landes mitbestimmen ließ. Der Bauer war voll rechtsfähig, die Leibeigenschaft wurde 1414 auch formell durch Friedrichs Landrechtsordnung abgeschafft. Die wirtschaftliche Selbständigkeit war eine so wichtige Vorbedingung für das Führen eines zweiten Namens im 15. Jahrhundert, dass in damaligen Leuteverzeichnissen die Bewohner eines Hofes hinter dem zweinamigen Hausvater ohne Zuname angeführt werden. Die wichtigsten, bäuerlichen Beinamen sein die Hofnamen. Sie treten so früh auf wie die Burgennamen der Adeligen. Schon im 13. Jahrhundert finden wir sie: 1270 Sifridus de Prantach, Heinrich de Illmach, Berthold der Hofer usw. – das sind Angaben über den Wohnsitz des Bauern, genau wie die Burgennamen des Adels. Bauernnamen konnten bei Übersiedlung auf einen anderen Hof geändert werden; solche Wechsel sind freilich nicht so leicht zu verfolgen wie bei dem im Lichte der Genealogie stehenden Adel. Solche Wohnstattnamen konnten sich bei Abwanderung aus der Heimat viel früher als Familiennamen verfestigen, besonders wenn weichende Geschwister in einer Stadt ansässig wurden und dort den Namen ihres Heimathofes als Beinamen führten. Heiratete aber einer in einen anderen Hof ein, so übernahm er auch dessen Namen, und dies auch noch lange nachdem die Beinamen um 1600 fixe Familiennamen geworden waren. Noch im frühen 18. Jahrhundert kam es in unserem Pustertal vor, dass jemand im Laufe seines Lebens wiederholt den Schreibnamen wechselte, je nachdem welchen hof er innehatte. Ein auf dem Sextner Hof Lanzinger um 1620 Geborener heiß Lanzinger, als er aber um 1650 den Außervillgrater Hof Ahrner erwarb, hieß er Ahrner, und nach Ankauf des Gasthofes Klettenheim in Winnebach und der Übersiedlung dorthin hieß er Klettenhammer. Solche Beispiele könnte man viel anführen. Kein Wechsel war erst möglich, als Maria Theresia und Kaiser Joseph II um 1760 Kataster und Standesregister einführten.

Der größte Teil der Tiroler Familiennamen geht auf alte Hofnamen zurück, die ursprünglich als Beinamen dienten. 
Führte jemand diesen Beinamen auch nach Verlassen des heimatlichen Hofes weiter, so konnte aus dem Beinamen allmählich ein fester Familienname werden. Es kam aber auch vor, dass jemand den Beinamen wechselte. Erlernte einer z.B. nach Verlassen des Heimathofes ein Handwerk, so nannte er sich danach: Schmied, Schneider, Zimmerer usw. oder es wurde ihm ein Spitzname angehängt, aus dem dann ein Familienname wurde, z.B. Schwingshackl für einen Metzer, Einsenstecken, Eisenkeil für einen Schmied, Muesack für einen Müller, Schiechl oder Schiestl für einen Schuster, Gitterle, Sauerwein für einen Wirt usw.

Das führte auch zur Frage, wer eigentlich die Namengeber sind.
Wer hat die alten Beinamen, auch die Hofnamen geprägt? Sicherlich die Hofinhaber selbst und die Nachbarn, aber nicht zuletzt auch die Grundherrschaftsverwaltung, die an einer geordneten Eintreibung der Abgaben interessiert war. Dies war nur möglich, wenn in den Urbaren und Zinslisten die Namen der Abgabepflichtigen sich nicht von Geschlecht zu Geschlecht änderten. Dadurch kam es zu einer Verfestigung der Hofnamen, nach denen sich dann auch die Hofinhaber in den folgenden Generationen nannten, so dass daraus vererbliche Familiennamen wurden.

Villgraten, das ist im ursprünglichen Sinn der Talteil von Außervillgraten aufwärts, scheint urkundlich erstmals im Jahre 1140 auf. 
In diesem Jahre wurde Graf Arnold von Morit vom Stift Innichen, dessen Vogt er war, mit der Valegratto belehnt. Der Name geht auf das alpenromanische Valleacerata zurück, das soviel wie Ahorntal bedeutet; im 12. Jahrhundert muss es folglich hier einen auffallend starken Ahornbewuchs gegeben haben. Graf Arnold sollte im Bereich zwischen Swarzaha und Siligana, das wären die Bäche von Villgraten und dem Winkeltal, die sich an ihrem obersten Ende nahezu berühren, durch seine Eigenleute Rodungen durchführen und Höfe errichten lassen. Arnold musste sich verpflichten, das Lehen nach einer bestimmten Zeit wieder zurückzugeben. Als jährliche Abgabe an das Stift wurde verlangt: 10 Ihrer Weine. zum Lehen gehörtren nicht die Weidegründe für die Almsommerung der Herden des Stiftes.

Wahrscheinlich gehörten zu den Eigenleuten des Grafen auch Alpenromanen, von denen die verhältnismäßig vielen Geländenamen romanischer Herkunft geprägt wurden; 
als Beispiel sei nur der Almname Filpuine genannt, der auf ein romanisches Valle bona 'gutes Tal (im Sinne von 'gutes Weideland) zurückgeht. Es entstanden 32 Höfe, und bei dieser Anzahl ist es dann auch bis weit in die Neuzeit herein geblieben. Im Jahre 1267 entstand die Pfarre Innervillgraten, über die Der Propst des Stiftes Innichen das Patronatsrecht hatte. Der Name Innervillgraten entstand aus einem älteren " In der Villgraten". Das Tal hieß einst " die Villgraten", und die Ortschaft "In der Villgraten". Dieses "In der Villgraten" wurde dann umgedeutet zu "Innervillgraten". und ein Innervillgraten erforderte nun auch ein Außervillgraten. Der erst um 1750 entstandene Name Außervillgraten verdrängte den älteren Namen Brugg; noch Anich schreibt in seiner Tiroler-Karte "Auservilgraten- Bruck (um 1770), und Staffler nennt um 1840 noch Außervillgraten Brugg und das Tal von Panzendorf bis zur Aufgabelung in Villgraten und Winkeltal Bruggental oder einfach Bruggen.

Als Graf Arnold von Morit im Jahre 1170 das Lehen an das Stift Innichen zurückgab, waren durch seine Eigenleute 32 Höfe errichtet worden, und zwar auf dem sonnseitigen Talhang von "Fürhapt bis Hochegg und von dort am Versellberg bis zum Mooshof ins Winkeltal". Im Urbar von 1594 werden folgende Höfe angeführt, die dem Stift zinsten:
Fürhapt, Außer- und Innersteinwand, Weghof, Waldhof, Haidhof, Ober- und Niedergrueb, Gaßmanhöfl, Gassmanhof, Schettlechen, Pachhof, Perghof, Talhof, Hochegghof, Koflhof, Achernhof, Innerkaserbach, Oberrain, Erlach oder Schmidhof, Auhof, Lanshof, Sandhof, Mühlhof, Maurhof und Kaufhof, ferner Lechenmanhof, Reiterhof, Pärflhof und Moosmannhof. 1526 wird auch ein Außerkaserbach genannt. Diese 32 Höfe entstanden also im 12. Jahrhundert, genauer nach 1140.

Es handelt sich um sogenannte Freistifthöfe, d.h. sie gehörten dem Stift Innichen, die Bauern hatten sie nur jeweils auf ein Jahr in Pacht und der Pacht musste alljährlich erneuert werden. 
Da es dem Grundherren, also dem Stift ein Anliegen war, alljährlich gute Abgaben geliefert zu bekommen, wurde der Pacht recht bald auf Lebzeiten dem Pächter übertragen, der ihn auch an seine Söhne vererben konnte. Wer den Pacht nämlich nur auf kurze Zeit bekam, hatte natürlich wenig Interesse, möglichst viel herauszuwirtschaften. Diese Praxis, nach der die jährliche Pachterneuerung eine reine Formalität wurde, hatte zur Folge, dass der Pächter allmählich der Meinung war, der Hof gehöre ihm. Das glaubte offenbar auch der Ggan Haider vom Haidhof, der dem Stift im Jahre 1484 die Abgaben verweigerte. Auf die Klagen der Stiftsherren entfernte der Richter von Heunfels den Widerspenstigen vom hof. Dessen Söhne Christl und Liendl planten nun, "das väterliche Erbguet", wie sie sagten, wieder an sich zu bringen und sandten dem Stift folgendes Schreiben :

"Ich Christl Haider und ich Liendl Haider lassen euch wissen und sagen euch ab dem ganzen Kapitel ze Inichingen und allen Chorherren, die in das Kapitel gehören; den sagen wir ab an Leib und Guet, mit Feur und mit Brand, bei Tag und Nacht, bei Sunnen und bei Mond, dass sie mit uns nit ains werden und dass sie uns unser väterlichen und müetterlichen Erbguet wider antworten ... Item begehrn wir und tuen euch kund und zu wissen, ob ir nun kumt und ains werdet in 14 Tägen, das ist wohl und guet; tuet ir das nit, darnach wellen wir euch rauben und brenen, wo wir euch ergreifen oder die Euren. Item tuen wir euch zu wissen, liebe Nachpaurn zu Inechingen, dass uns nicht lieb ist, wo ir in Schaden kommt von wegen der Pfaffen und Chorherren, das wäre uns fast leid, aber wir möen es euch nicht liegen lassen. Darum tuet sie von euch! Rächt euch auch! Wollt ir ains werden, ir wisst wohl wo wi sein!"

Dieser Brief hatte zur Folge, dass Graf Leonhard von Görz die beiden Haider ächten ließ. Die Geächteten flüchteten ins Venezianische, söhnten sich aber später wieder mit dem Stift Innichen aus und bekamen erneut als Freistiftbauern ihren Hof.

Das war im Jahr 1484; - also ein frühes Aufbäumen gegen die geistliche Grundherrschaft, 40 Jahre vor den stürmischen Bauernrevolten des Jahres 1525. Dabei war die Grundherrschaft des Stiftes Innichen überaus menschlich; bei Misserten verzichtete sie immer auf einen Teil der Abgaben oder forderte überhaupt nichts. Jedenfalls war die geistliche Grundherrschaft weitaus gnädiger als der steuerheischende Staat von heute.

Wir sahen diese jährlichen Steuerabgaben aus? 
Jeder der genannten Höfe musst dem Propst des Stiftes Innichen eine Geldsumme bezahlen und dem Stift Naturalzinsen entrichten. Propsteigeld zahlten jährlich:   der Fürhapthof 56 kr., der Innersteinwander 1 fl. 50 kr. , 3 f., der Außersteinwander 51 kr, l f., der Weghof 1 fl., 5 kr., 3 f., der Walder 56 kr., der Haidhof 1 fl., 5 kr., 3 f., der Obergruber 56 kr., der Niedergruber 56 kr., der Gaßman 28 kr., 1 f., der Gaßhof 1 fl., 4 f., das Schettlechen 56 kr., der Pachhof 1 fl., 3 kr., 3 f., der Perghof 1 fl., 5 kr., 3 f., der Oberrainer 56 kr., der Erlach oder Schmidhof 56 kr., der Auhof 1 fl., 5 kr., 3 f., der Lanshof 51 kr., 1 f., der Sandhof 1 fl., 5 kr., 3 f., der Mühlhof 51 kr., 1 f., der Maurhof 1 fl., 5 kr., 3 f., der Kaufhof 16 fl., der Lechenmannhof 1 fl., 5 kr., 3 f., der Reiter 1 fl., 5 kr., 3 f., der Perfler 56 kr. und der Moosmann 1 fl., 5 kr., 3 f.

Außerdem hatten die genannten Höfe jährlich dem Stift Innichen 2 bis 6 Laibe Käse, 6 bis 10 Galfen Hafer, 3 Laibe Graukäse und um Ostern 1 Kitz und 15 bis 20 Eier zu liefern. Eine genaue Angabe sei für den Fürhapter angeführt: 56 kr. Propsteigeld, 2 Laibe Käse, 3 Laibe Graukäse, 6 Galfen Hafer, zu Ostern 1 Kitz, 15 Eier und jedes dritte Jahr 1 Schwein.

Interessant ist die allmähliche Wandlung des Gebrauchs der Hofnamen zu Familiennamen. Während im Zinsverzeichnis von 1526 die Hofinhaber nur mit dem Vornamen genannt sind und sie folglich den Hofnamen als Beinamen führten, finden wir im angeführten Verzeichnis von 1596 bereits einigermaßen verfestigte Familiennamen. Dazu gehört auch der Name Fürhapter. Als Inhaber des Fürhapthofes scheinen Lukas und Nikl Fürhapter auf; aber der Nikl Fürhapter ist auch als Mitinhaber des Außersteinwandhofes genannt und ein Wastl Fürhapter zinst mit Vestl, Andre und Mathes Kaufmann für den Kaufmannhof. Der Wastl Fürhapter behielt also seinen Namen, obwohl er mit den Gebrüdern Kaufmann den Kaufmannhof bewirtschaftete und dafür dem Stift bezahlte; er und seine Mitinhaber zinsten: 16 fl., zu Weihnachten 2 Hennen und 20 Eier, zu Ostern 1 Kitz und 20 Eier.

Was mag beigetragen haben, dass der Hofname Fürhapt sich schon so verhältnismäßig früh zu einem vererbbaren Familiennamen verfestigte? Wahrscheinlich führte Wastl den Namen Fürhapter nur, um sich von den Mithofinhabern, den Gebrüdern Kaufmann, zu unterscheiden; sicher hätte er als alleiniger Inhaber eines anderen Hofes auch dessen Bezeichnung übernommen. Aber eine gewisse Verselbständigung des heimatlichen Hofnamens als Beinamen hört man doch heraus.

Was bedeutet Fürhapt und Fürhapter? 
Wir finden den Familiennamen im Bezirk Kitzbühel, in Oberbayern und im östlichen Pustertal. Der Stammhof aller Fürhapter ist Fürhapt in Villgraten, einer der Höfe, die in der Zeit nach 1140 errichtet wurden. Und wer prägte diesen Hofnamen? Sicher die damalige Grundherrschaftsverwaltung bzw. der Lehensträger des Stiftes Innichen, der Graf Arnold von Morit. Das heute noch gebietsweise bekannte Mundartwort Fürhapt 'Ackeranfang' bzw. 'Ackerende', auch 'Feldstreifen' zwischen zwei Äckern. Diese Bedeutung ist aber sekundär und gibt nur die Grundbedeutung des Wortes, nämlich 'am Anfang stehend' wieder. Einem Fürhapt würde etymologisch im Neuhochdeutschen ein "Vorhaupt" entsprechen. Mittelhochdeutsch 'fürhoupt' hat als Nebenbedeutung 'Obmann, Vorgesetzter'. Der Inhaber des Villgrater Hofes Fürhapt war sicher beauftragt, die Naturalzinsen und Geldabgaben aller Freistiftshöfe einzusammeln und der Grundherrschaft abzuliefern, eine Arbeit, die anderswo von den Inhabern der Mairhöfe durchgeführt wurde. Fürhapter war also ursprünglich eine Amtsbezeichnung, aus der ein Hofname und schließlich ein Familienname wurde. Ein als Amtsbezeichnung geprägter Beinamen hatte auf Grund seiner Bedeutung und Sonderstellung sicher die Möglichkeit, schon früh ein fester Familienname zu werden.

Nun ist es schwierig und durchweg geradezu unmöglich, den Stammbaum aller weltweit lebenden Fürhapter bis zum Villgrater Stammhof zurück zu verfolgen. Die einzige genealogische Quelle sind die Pfarrmatrikel, die Geburts-, Trauungs- und Totenbücher der Pfarreien, deren Führung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vom Trientner Konzil vorgeschrieben wurde. Diese Matrikelbücher beginnen in den meisten Pfarreien erst um 1600, bestenfalls um 1580, also in einer Zeit, in der sich die Vererbung manche Beinamen als Familiennamen auch bei uns langsam anbahnte; Fürhapter dürfte um 1600 wohl sicher bereits ein solcher Familienname gewesen sein. Aber vom 12. Jahrhundert bis um 1600 waren bereits viele Fürhapter aus den sicher kinderreichen Familien des Hofes Fürhapt ausgewandert und anderswo sesshaft geworden und ihre Nachkommen bis in unsere Zeit haben mangels der Quellen keine Möglichkeit, die Herkunft bis in die Stammheimat zurückzuverfolgen. Dazu kommt noch, dass die Pfarrmatrikel von Innervillgraten kaum 200 Jahre zurückreichen, da der größte Teil der älteren Bestände durch einen Grobrand im 19. Jahrhundert vernichtet wurde.

Aber trotz der desolaten Quellenlage ist die Annahme, dass der Villgrater Fürhapthof der Stammhof aller Fürhapter ist, berechtigt. 
Es gibt im gesamten Alpengebiet und im gesamten bairisch-österreichischen Raum keinen zweiten Fürhapthof, wie ich auch eingehender Forschung feststellen konnte. Wie der Sextner Hof Tschurtschenthal der Stammhof aller Tschurtschenthaler ist, so ist der Villgrater Hof Fürhapt die Stammheimat aller Fürhapter. Und wie sich vor 40 Jahren über 2000 Tschurtschenthaler aus allen Weltgegenden in ihrer Sextner Stammheimat trafen, erlebt heute – in bescheidenerem Maße – Villgraten eine Zusammenkunft vieler Fürhapter, deren Ahnen in ferner Zeit aus diesem Gebirgstal gekommen waren. Der Name Fürhapter gehört zu Villgraten wie der Name Tschurtschenthaler zu Sexten. Zwei alte Tiroler Bauerngeschlechter, die sich im Laufe von acht Jahrhunderten rund um den Erdball verzweigt haben. und deren Angehörige ihrem Namen Ehre machten.

Fürhapt war also bis zur Auflösung der geistlichen Grundherrschaften im 19. Jahrhundert einer der rund 50 Hochpustertaler Freistifthöfe des Kollegiatstiftes Innichen, dessen Patrone die heiligen Candidus und Korbinian sind. 
Candidus, ein römischer Märtyrer des 3. Jahrhunderts, wird in Innichen schon seit dm 8. Jahrhundert verehrt und Korbinian, der Gründer und Patron der Diözese Freising – heute München-Freising -, wurde erst im 14. Jahrhundert zweiter Schutzherr des Stiftes Innichen. Das Stift Innichen war seit seiner Gründung durch Herzog Tassilo III im Jahre 769 eine Eigenkirche des Hochstiftes Freising, mit den es bis zur Säkularisierung im frühen 19. Jahrhundert immer eng verbunden blieb. Auch die Amtsbezeichnung Fürhapt erinnert an die Jahrhundertealte Zugehörigkeit zum bairischen Hochstift, in dessen Verwaltungssprache Fürhapt häufig als Synonym für Maierhofinhaber aufscheint. Im Familienwappen der Fürhapter, dessen Ausstellungsdatum- und ort mir nicht bekannt ist, ist mit vollem Recht das alte Vasallen- und Schildhofzeichen zu sehen, nämlich die gekreuzten Hellebarden. Die Fürhapter waren als Mitverwalter des stiftischen Eigentums, der geistlichen Grundherrschaft, Vasallen des Stiftes Innichen, gleichsam die Polizei des geistlichen Kleinstaates und auch der Name des Hauses, das die heutige Versammlung der Fürhapter beherbergt. Der Name Ganner erinnert an die alte "ungehörigkeit Innervillgratens zum Stift des hl. Candidus zum Stift Innichen. Gann ist nämlich eine altmundartliche Lautform von Candidus. Gannerhöfe finden wir im gesamten Innichner Stiftsgebiet von Welsberg bis Abfaltersbach. Ich glaube, dass auf solche Zusammenhänge im Rahmen eines Sippenfestes hingewiesen werden muss, einer Veranstaltung, durch die geschichtliches Denken und Geschichtsbewusstsein gestärkt werden sollte. Die Kenntnis der Vergangenheit ist notwendig. Denn wenn wir nicht wissen, woher wir kommen, können wir auch nicht wissen, wo wir uns befinden und wohin wir zu gehen haben.

Juni 1998

Dr. Egon Kühebacher, Innichen